Die Flutkatastrophe letztes Jahr im Ahrtal, Hitzewellen, Dürren in Südeuropa, Überschwemmungen in Australien und Südostasien sind Zeichen dafür, dass der Klimawandel schon jetzt seine Spuren hinterlässt. Spuren, die sich nicht nur durch die Erwärmung der Erde zeigen, sondern auch Auswirkung auf unser Ökosystem haben. Noch lassen sie sich nicht immer bemerken, aber das Artensterben, die Abholzung des Regenwaldes und das Schmelzen der polaren Eismassen haben jetzt schon Auswirkungen. Doch je größer die Erderwärmung wird, desto größer werden auch die Auswirkungen. Dabei könnten Kipppunkte erreicht werden, die den Klimawandel beschleunigen würden.
Was sind Klimakipp-Punkte?
Stell dir vor, du schiebst ein Glas Wasser immer weiter an die Tischkante. Schiebst du es nur ein kleines Stück über die Tischkante, passiert zunächst nichts und du könntest das Glas wieder zurück auf den Tisch ziehen. Doch schiebst du es weiter, erreichst du einen kritischen Punkt und das Glas kippt runter. Genauso wie das Wasserglas können wir auch das Klima betrachten. Momentan wirkt es noch recht stabil, doch es kann schnell aus dem Gleichgewicht geraten. Dabei sind Klimakipp-Punkte, wie das Abschmelzen der polaren Eismassen oder die Abholzung des Regenwaldes, die Achillesfersen des Erdsystems. Denn wenn sie kippen, kann das sehr gefährlich für das Klima werden.
Warum Klimakipp-Punkte so gefährlich sind
Sobald Klimakipp-Punkte überschritten werden, sind sie nicht mehr umkehrbar und bedingen sich gegenseitig. Sobald ein Klimakipp-Punkt überschritten wird, dann folgen schnell auch andere. Ähnlich dem Anstoßen eines Dominosteins lässt sich die in Gang gesetzte Kettenreaktion nicht mehr stoppen oder rückgängig machen, wenn sie einmal angefangen hat. Jedoch gibt es auch einige Klimakippunkte, die nicht so sehr mit den anderen zusammenhängen, wie beispielsweise das Sterben der Korallenriffe.
Häufig haben wir das Gefühl, dass die Klimakipp-Punkte noch lange nicht erreicht werden, doch dieser stabile Schein trügt. Viele Kipppunkte werden in den nächsten Jahrzehnten überschritten werden. Dabei wird noch mehr Treibhausgas ausgestoßen, wie z. B. beim Auftauen der Permafrostböden, in denen Methan gespeichert ist. So wird der Klimawandel beschleunigt. Das System der Klimakipp-Punkte zeigt uns, dass es beim Klimawandel nicht nur um den CO2-Ausstoß geht, sondern dass wir uns genauso viel Sorgen um die Ökosysteme machen müssen.
Dabei sind Klimakipp-Punkte nur eine Risikoanalyse und keine Vorhersage. Es ist eines der Beschreibungsmodelle, um den Klimawandel zu beschreiben.
Wie viel Zeit bleibt uns noch?
Es besteht ein relativ großes Risiko, die ersten Klimakipp-Punkte bereits bei einer Erderwärmung von 1,5-2 Grad zu erreichen. Insbesondere die Korallenriffe sind momentan gefährdet. Gerade bei den bisherigen Maßnahmen zum Klimawandel ist es wahrscheinlich, dass viele von uns noch mitbekommen, wie einige Kipppunkte überschritten werden.Dabei gibt es verschiedenste Klimakipp-Punkte. Einige betreffen die Strömungssysteme, andere die Ökosysteme oder die Eismassen.
Klimmakipppunkte der Ökosysteme
Einige Klimakipp-Punkte betreffen verschiedenste Ökosysteme. Das hat massive Auswirkungen auf die dort lebenden Pflanzen-, Tier- und Pilzarten. Einige Spezies sind dabei gut auf die Änderungen vorbereitet, viele jedoch nicht, vor allem, wenn Lebensräume zerstört werden und es keine vergleichbaren, alternativen Lebensräume gibt.
Die Zerstörung der Korallenriffe
Durch den Klimawandel steigt die Temperatur des Meeres. Das Meer nimmt so mehr CO2 auf und wird dadurch saurer. Dies ist besonders für die empfindlichen Korallen gefährlich. Bereits ein Drittel der Korallenriffe sind bis jetzt zerstört und in den kommenden Jahren sind weitere 40 Prozent bedroht. Dabei würde es mehrere tausend Jahre dauern, bis Korallen an demselben Ort oder woanders nachwachsen können.
Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes
Auch der Amazonas-Regenwald ist ein Klimakipp-Punkt. Die grüne Lunge der Welt ist durch Abholzungen und Brände bedroht. Dabei wird nicht nur CO2 durch die Brände freigesetzt, sondern durch die Zerstörung der Pflanzen kann auch weniger CO2 aufgenommen werden. Außerdem verdunstet durch die Abholzung weniger Wasser über dem Wald. So kommt es dazu, dass der Regenwald sich selbst zerstört, wodurch weiteres CO2 freigesetzt wird und noch weniger Sauerstoff produziert werden kann.
Rückgang der borealen Nadelwälder
Der boreale Nadelwald (Wälder in kalten Klimazonen) ist einer der größten CO2 Speicher der Welt. Dabei sind sie in den vergangenen Jahren durch den Klimawandel weiter gewachsen, denn durch das Verschieben der Klimazonen finden die Bäume mehr Platz, an dem sie wachsen können. Doch der Boreale Nadelwald könnte sich von einem Klimapuffer zu einem der größten CO2-Emittent werden. Denn Pflanzenschädlinge, Dürren, Brände und menschliche Nutzung zerstören weite Teile der Nadelwälder.
Abschwächung der marinen Kohlenstoffpumpen
Seit der Industrialisierung nehmen Ozeane jedes Jahr rund ein Drittel des ausgestoßenen CO2 auf. Dabei stehen Meere und Atmosphäre in einem CO2-Austausch. Kalte Meeresströmungen transportieren das CO2 anschließend in tiefere Gebiete der Meere, wo er für hunderte Jahre gespeichert werden kann. Auch Algen nehmen das CO2 auf. Die erhöhte Aufnahme an CO2 in den vergangenen Jahren führt jedoch zur Übersäuerung der Meere und massiven Algenwachstum, welches die Ökosysteme im Meer stört. Durch die Erwärmung der Meere kommt es langfristig dazu, dass das CO2 nicht mehr in die tieferen Gebiete des Meeres transportiert und dort gespeichert werden kann.
Kipp-Punkte der Eismassen
Auch das Abschmelzen verschiedenster Eismassen kann den Klimawandel beschleunigen. Nicht nur, weil die Wassermassen Strömungssysteme und Ökosysteme zerstören, sondern auch, weil dort, wo das helle Eis schwindet, meist dunkle Oberflächen übrig bleiben. Diese freigelegten dunklen Oberflächen nehmen mehr Sonnenwärme auf, die wiederum den Schwund des verbliebenen Eises beschleunigen.
Schmelzen des arktischen Meereises und des grönländischen Eisschildes
Das arktische Meereis schmilzt rapide. Sowohl das arktische Meereis als auch das grönländische Eisschild verlieren dabei an Fläche und Dicke. Wir können damit rechnen, dass der Klimawandel schon Ende dieses Jahrhunderts dazu führt, dass die Arktis im Sommer eisfrei sein wird. Dies wird durch den sogenannten Albedo-Effekt verstärkt, denn der dunkle Boden nimmt mehr Wärme auf. Der grönländische Eisschild könnte so bis zum Ende des Jahrtausends komplett schmelzen und so einen Meeresspiegelanstieg von bis zu sieben Metern verursachen.
Kollaps der antarktischen Eisschilde
Aufgrund der steigenden Temperaturen brechen in der Antarktis immer wieder Eisblöcke vom Eisschild ab. Der größte war dabei ganze 11.000 Quadratkilometer groß. Durch das Schmelzen des Eises kommt es zur Erhöhung des Meeresspiegels.
Auftauen der arktischen Permafrostböden
Permafrostböden sind dauerhaft gefrorene Böden in den polaren Regionen. Rund 25 Prozent der Oberfläche der Nordhalbkugel sind von ihnen bedeckt. In ihnen sind große Mengen abgestorbener Pflanzenreste eingeschlossen, deshalb werden beim Auftauen riesige Mengen Methan und CO2 frei. Dabei sinkt der Boden ab und zerstört zusätzlich z.B. die Infrastruktur.
Methanausgasung Ozean
Ebenso wie CO2 ist auch Methan ein Treibhausgas. Methanhydrat ist dabei Methan, welches im Eis oder auch in den arktischen Meeresböden eingeschlossen ist. Durch das Erwärmen der Meere wird auch Methan freigesetzt, welches trotz seiner relativen Kurzlebigkeit eine gewaltige Auswirkung auf den Klimawandel hat.
Kipp-Punkte der Strömungssysteme
Veränderungen der Strömungssysteme haben meist weitreichende Folgen, da sie sich gegenseitig bedingen und auch maßgeblich das Wetter beeinflussen. Ändern sich Strömungssysteme, so kommt es zu sehr starken Dürren oder Niederschlägen an veränderten Orten.
Störung des ENSO Phänomens
Alle paar Jahre sorgt das Klimaphänomen El Nino für Trubel, da es die normale Strömungszirkulation zwischen Südamerika und Südostasien auf den Kopf stellt. In den Jahren ohne El Nino treiben die Passatwinde im Ozean vor Südamerika kaltes Tiefenwasser an die Meeresoberfläche. Das nun warme Oberflächenwasser strömt von Südamerika nach Südostasien. Durch die Abschwächung des Passatwindes kommt es alle zwei bis sieben Jahre zu einer Umkehrung dieser Strömung, dem El Nino. Der Klimawandel verstärkt dieses Phänomen. Dadurch kommt es zu härteren Dürren in Südostasien und Australien sowie zu verstärktem Niederschlag an der Westküste Amerikas. Dies hat ebenfalls Auswirkungen auf den Westindischen und Südafrikanischen Monsun.
Schwankungen des Indischer Monsun und des Westafrikanischer Monsun
In den Klimamodellen des IPCC ist bereits bei einer Erderwärmung von 1,5-2,5 Grad eine Auswirkung auf den Westindischen Monsun zu befürchten. Der Monsun macht in Indien etwa drei Viertel der jährlichen Regenmenge aus und kommt jährlich zwischen Juni und September nach Indien. Der Monsun entsteht dabei durch warme Winde, die über den Indischen Ozean viel Wasser aufnehmen und in Indien auf Gebirge wie den Himalaya stoßen und so abregnen. Nun ändert sich zum einen die Temperatur der Atmosphäre und die warmen Winde nehmen Wasser anders auf, zum anderen hat die zunehmende Luftverschmutzung, welche die Luft eher abkühlt, eine Auswirkung auf den indischen Monsun. Dadurch kommt es zu extremen Schwankungen des Monsuns. Während in einigen Jahren ganze Gebiete unter Wasser stehen, entstehen in anderen Jahren Ernteausfälle aufgrund von Dürren. Der westafrikanische Monsun entsteht hingegen durch den Temperaturunterschied zwischen Nord- und Südhalbkugel. Durch die Erderwärmung kommt es auch hier zu Schwankungen, wobei sich der Monsun in nord-südliche Richtung verlagert. Dadurch könnte sich in einigen Jahren der Niederschlag in der Sahel-Zone erhöhen und so die von Dürren betroffene Randzone der Sahara begrünen. Dadurch könnte jedoch auch die Quelle des Wüstenstaubes, der mit Stürmen nach Westen transportiert wird und in einigen Ökosystemen, wie beispielsweise den Korallenriffen, eine wichtige Nährstoffquelle ist.
Steigende Trockenheit im nordamerikanischen Südwesten
Durch den Klimawandel dehnt sich die subtropische Trockenzone nach Norden aus. Dadurch zeigen sich vor allem im Südwesten Nordamerikas heute schon verringerte Niederschlagsmengen. Da das dortige Strömungssystem parallel zu den Monsunsystemen liegt, ist ein Klimakipp-Punkt zu befürchten, der zu verstärkenden Trockenheiten führt.
Verlangsamen der atlantischen thermohalinen Zirkulation
Der Golfstrom ist ein Teil der atlantischen thermohalinen Zirkulation. Dabei wird warmes Oberflächenwasser in den Norden transportiert, wo es abkühlt, absinkt und anschließend als kaltes Tiefenwasser in den Süden strömt. Dies führt unter anderem zu einem milden Klima in Nordwesteuropa. Dabei ist das kalte und dichte Salzwasser, das aufgrund seiner Schwere vor Grönland in die Tiefe sinkt und so , die atlantische Thermohaline Zirkulation am Laufen hält. Durch das Schmelzen der Polkappen, strömt dort jedoch mehr Süßwasser hinzu, so kann es dazu kommen, dass das kalte Wasser nicht mehr absinkt, und so die atlantische thermohaline Zirkulation verlangsamt. Dadurch würde sich das Klima in Nordwesteuropa drastisch ändern, was vor allem viele dortige Ökosysteme belasten würde.
Verlangsamen des Jetstream
Der Jetstream entsteht an der Grenze zwischen kalten und warmen Luftmassen. Es kommt zu Windströmung von Westen nach Osten in 8-12 km Höhe. Dabei wabert der Luftstrom über den mittleren Breiten und den Subtropen in Wellen um die Erde, diese Wellen verschieben sich immer wieder und sind Ursprung der Entstehung von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Durch den Klimawandel ist zu beobachten, dass sich der Jetstream verlangsamt. Dadurch kann es dazu kommen, dass sich Großwetterlagen, wie Überflutungen, Dürren und Kälte- und Hitzewellen über lange Zeit nicht auflösen.
Was nun?
Das System der Klimakipppunkte führt uns mal wieder vor Augen, wie bedrohlich der Klimawandel und unser Ausstoß an Treibhausgasen sein kann. Es zeigt uns aber auch, dass es nicht reicht, nur über die Energiewende zu sprechen. Wir müssen auch über die Auswirkungen menschlichen Handelns sprechen, wie beispielsweise die Abholzung des Regenwaldes. Zusätzlich zeigen uns die Prognosen über die Klimakippunkte, wie wenig Zeit uns bleiben könnte und wie sehr alle Ökosysteme und Strömungssysteme zusammenhängen. Deshalb müssen wir noch mehr Maßnahmen zum Einsparen von CO2 durchsetzen, sowie die Bewaldung und Vernässung von Mooren beschleunigen und umsetzen. Doch vielmehr müssen wir die sozial-ökologische Transformation radikal beschleunigen.
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